Vorwärts in die Vergangenheit (Ruhrnachrichten februar 2013)

 

10.02.2013 18:30 ruhrnachrichten.de

 

Einen Sanierungsvertrag wie diesen hatte die Wohn- und Stadtbau nie zuvor unterschrieben. Sowohl das Wohnungsunternehmen als auch die Hausgemeinschaft hatten im Frühjahr 2012 bekundet, das Haus, um das so lange gefochten worden war, als Wohnprojekt zu erhalten. Dieses Versprechen wird ab 1. April eingelöst.

Zurück zu den Wurzeln

Für die 18 Bewohner geht es spätestens dann vorwärts in die Vergangenheit, zurück zu den Wurzeln eines der am längsten selbst verwalteten Wohnprojekte Deutschlands. Derzeit lebt die Gemeinschaft noch in der Grawertstraße – die Wohn- und Stadtbau hatte die räumliche Zwischenlösung möglich gemacht.
„Mit dem baldigen Rückzug unseres Wohnprojektes endet eine über vierzigjährige Auseinandersetzung um sozialen und bezahlbaren Wohnraum in Münster mit einem – wie wir hoffen – recht positiven Ergebnis“, heißt es in einer Stellungnahme der Hausgemeinschaft. 19 Bewohner werden zurückziehen. „Einige wenige haben vor dem Hintergrund, dass es noch knapp zwei Jahre dauern wird, bis die Bauarbeiten rund um unser Haus endgültig abgeschlossen sind, das Angebot der Wohn- und Stadtbau angenommen, in den Übergangswohnungen in der Grawertstraße zu bleiben“, so die Hausgemeinschaft. Dort habe die Gemeinschaft die Ruhe genossen.

Bewohner packen mit an

Am Freitagnachmittag hatten sich Bewohner mit einem Vertreter des Bauherrn vor Ort verabredet, die nächsten Schritte und die letzten Arbeiten besprochen. Arbeiten, für die auch die Bewohner mitverantwortlich sind. Denn die wollen mit anpacken, unter anderem bei Malerarbeiten.
Überhaupt: Die seit Jahrzehnten wechselnde Bewohnerschaft hatte bislang immer selbst für Renovierungen auf ein Reparaturkonto eingezahlt, die „Wohnqualität aufrecht gehalten“, wie es heißt. Dies wäre nicht mehr lang gut gegangen, wie bei der vor allem energetisch ausgerichteten Sanierung deutlich wurde. „Die Substanz war nicht so gut wie erhofft“, sagt Arndt Heckmann von der Wohn- und Stadtbau, „die Deckenbalken waren morsch, nicht mehr tragfähig.“

Kostenrahmen überschritten

Diese so neben Brandschutz und Barrierefreiheit nicht eingeplanten Arbeiten hatten den Zeitrahmen gesprengt. Eigentlich sollten die Arbeiten Ende 2012 erledigt sein, hieß es noch im Mai. Auch der Kostenrahmen – veranschlagte 700 000 Euro an Landesmitteln – wurde überschritten. Über die Höhe der Mehrkosten gibt es bisher noch keine Auskunft. Die Arbeiten sind ja auch nicht ganz beendet. Feininstallation in den Bädern, Belege im Treppenhaus, der Austausch schadhafter Holzdielen, Treppengeländer und Balkone stehen noch auf der To-Do-Liste.

Erhebendes Gefühl

Ab März wird das Außengerüst entfernt. Dann sollen die Wohngemeinschaften wieder ins knapp 100 Jahre alte Haus. Es dürfte ein erhebendes Gefühl sein. Schließlich hatte die Stadt 40 Jahre lang nichts zum Erhalt des Hauses beigetragen – und nun also der große Rundumschlag.
Es fühlt sich wie ein Sieg der einstigen Besetzer und Kämpfer für sozialen und preiswerten Wohnraum an, dürfte die Wohn- und Stadtbau aber nicht minder freuen. Denn das Haus mit der Nummer 31 wird damit zu einem städtebaulichen Juwel.
Wobei die Bewohner durchaus mit gemischten Gefühlen einziehen werden: „Den bevorstehenden Bauarbeiten rund um die Grevener Straße stehen wir insgesamt skeptisch gegenüber. Zum einen aus Gründen der Lärmbelastung, zum anderen schwingt auch noch Enttäuschung über den Abriss der anderen Gebäude auf der Grevener Straße mit“, heißt es in der Erklärung der Hausbewohner.
Die haben inzwischen einen Verein gegründet, der sich zusammen mit der Wohn- und Stadtbau künftig um die Verwaltung des Hauses kümmern wird.

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